Die Gewalt hat System

Wir leben in einer patriarchalen Gesellschaft, in der Frauen systematisch unterdrückt werden. Diese Unterdrückung gilt als Norm, wird als natürlich angesehen. Sie birgt ein Bild, dass Frauen bestimmte Rollen zu erfüllen haben, sich auf bestimmte Art und Weise zu verhalten haben und dass sie weniger wert seien als Männer. Oft geht mit dem vermeintlichen „weniger wert sein“ einher, dass Männern weis gemacht werde, sie hätten einen Anrecht auf Frauen und ihre Körper. Es fängt mit sexistischen Konzepten wie der „Friendzone“ 1 an und äußert sich weiterhin darin, dass Politiker entscheiden, ob Frauen ein Kind abtreiben dürfen oder nicht; dass Richter Betroffenen Schuld an Übergriffen zusprechen; und nicht zuletzt, dass Frauen täglich Opfer von psychischer und physischer Gewalt durch ihre Beziehungspartner werden. 2

25%, also jede vierte Fraue in Deutschland hat schon einmal Gewalt durch ihren (ehemaligen) Partner erlebt, 2017 wurden weltweit über 50.000 Frauen von ihnen getötet. Leider werden diese Taten immer noch viel zu häufig als „Familiendrama“, „dramatische Beziehungstat“ oder „erweiterter Selbstmord“ bezeichnet. Begriffe wie diese verharmlosen, was sie tatsächlich sind: Männer, die Frauen töten, weil sie Frauen sind. Hier zeigt sich wieder: Frauen werden als Objekte gesehen, die Männer besitzen können, entscheiden können, dass sie diese verletzen oder gar töten können. Das ist  eine Äußerung von Macht.

„Das Private ist politisch“

Häusliche Gewalt und oft die darauffolgenden Morde an Frauen werden durch Bezeichnungen wie „Familiendrama“ aus dem öffentlichen Fokus ins Private gerückt. Männer sind „Einzeltäter“, „eifersüchtig“ oder „psychisch krank“. Es wird sich der institutionellen Verantwortung entledigt, indem Feminizide nicht als solche bezeichnet werden, sondern als quasi entarteter Beziehungsstreit. Die Morde werden also von der Gesellschaft als solches akzeptiert und die Verantwortung bei beiden Partner*innen  gesucht. Dies macht es noch schwerer für Frauen, sich Hilfe zu suchen. Die, die es tun, sind häufig auf sich allein gestellt. Es gibt zwar Beratungs- und Zufluchtsstellen, wie zum Beispiel Frauenhäuser, doch sind diese oft ausgelastet oder zu wenig bezuschusst, sodass sich vielen Frauen nicht die Möglichkeit bietet, aus gewalttätigen Beziehungen und Wohnen zu entkommen. An dem Punkt, an dem Frauen sich entscheiden, proaktiv die Beziehung zu verlassen, ist es oft spät, wenn es überhaupt geschieht. Das liegt allerdings nicht daran, wie viele sagen, dass Frauen „zu schwach“ oder gar dumm sein, sondern häusliche Gewalt ist mehr als nur physische. Täter haben Strategien, Betroffene machtlos und abhängig von ihnen machen. Diese sind beispielsweise soziale Isolation, der Abbruch von Kontakten zu Familie und Freund*innen, sodass es niemanden mehr gibt, an die sich betroffene Frauen wenden können. Das ist auch finanzielle Abhängigkeit durch Arbeitsverbote, durch alleinige Kontrolle der Finanzen. Solange also der gesellschaftliche Blick sich nicht von der Einzeltat eines eifersüchtigen Mannes zu einer systematischen Unterdrückung gegenüber Frauen wandelt, sind wir leider noch fern davon, dass Frauen von Hand ihrer Beziehungspartner keine Gewalt mehr erfahren müssen.

Micki Börchers, LV Schleswig-Holstein

Falls du oder jemand die du kennst einmal Hilfe braucht:
Frauennotruf Hilfetelefon vom BAFzA: 08000 116 016

weitere lokale Beratungsstellen findest du online

  1. Die Friendzone ist deshalb sexistisch, weil sie (meist) Frauen das Recht auf geschlechtsheterogene Freundschaften abspricht und impliziert, dass Frauen für den Mann körperlich verfügbar sein müssen.
  2. Gewalt, die von Menschen – meist Männern – gegenüber ihren Beziehungspartner*innen – meist Frauen – ausgeübt wird, nennt sich auch häusliche Gewalt.