Care-Arbeit und Krise – Zur Situation von Frauen in der Covid-19-Pandemie

Pflege am Boden – Flashmob für bessere Arbeitsbedingungen des Pflegepersonals (Foto: Mundus Gregorius)

Dass vor dem Virus nicht alle gleich sind, ist seit Beginn der Pandemie der wichtige Einwand von links gegen all jene, die behaupten, „wir“ säßen in einem Boot und müssten nun zusammenhalten. Bereits bestehende gesellschaftliche Ungleichheiten wurden durch die Pandemie zusätzlich verschärft. Bisher nur notdürftig verkleisterte oder noch halbwegs erträgliche Probleme treten nun voll ans Tageslicht. Dies betrifft auch das patriarchale Geschlechterverhältnis: Die Gesundheitskrise, so wurde mehrfach dargelegt, sei vor allem auch eine „Krise der Frauen“. Wie lässt sich diese Krise nach einem Jahr Pandemie (vorläufig) bilanzieren?  

Besondere Betonung hat in der Debatte um den geschlechtlichen Aspekt der Corona-Pandemie die häusliche Gewalt erfahren. Gleich zu Beginn des ersten Lockdowns warnten feministische Akteur*innen vor zunehmender Männergewalt innerhalb von Partner*innenschaften und Familien. Sie betonten das Problem fehlender Ausweichmöglichkeiten und Anlaufstellen für Frauen und Kinder. Tatsächlich haben Hilfsorganisationen einen Anstieg von Unterstützungsgesuchen festgestellt. Verlässliche Zahlen gibt es aufgrund der in privaten Räumen stattfindenden Gewalt und der (insbesondere in Pandemiezeiten) fehlenden sozialen Kontrolle nicht. Alles deutet allerdings darauf hin, dass auch hierzulande Männer eigene Krisenerfahrungen durch Aggressionen gegen Frauen und Kinder verarbeiten – ein typisches Muster patriarchaler Männlichkeit.

Weiterhin waren und sind Frauen in besonderer Weise von den Schul- und Kitaschließungen betroffen. Indem Kinder nicht mehr (bezahlt) von Lehrer*innen, Kindergärtner*innen und Erzieher*innen betreut werden konnten, musste diese Arbeit (unbezahlt) durch die Eltern verrichtet werden. Während die Kinderbetreuung bei alleinerziehenden Eltern in 85% der Fälle automatisch Frauen zufällt, ist dies bei heterosexuellen Paaren zwar prinzipiell Aushandlungssache, doch führen verschiedene Faktoren dazu, dass auch hier ein Großteil dieser Arbeit bei den Frauen landet. Das ist zum einen durch die nach wie vor bestehende traditionelle Rollenverteilung bedingt, die Sorge- und Erziehungstätigkeiten eher bei Frauen verortet. Zum anderen sprechen aber auch ökonomische Fragen dafür, dass im Zweifelsfall Frauen beruflich zurückstecken, um die Versorgung der Kinder zu gewährleisten. Denn Frauen arbeiten und verdienen häufig weniger, weshalb das Einkommen des Mannes eine größere Rolle für die Familie spielt. Dies legt schließlich nahe, den Konflikt ganz in Übereinstimmung mit der patriarchalen Rollenverteilung aufzulösen. Im Ergebnis reduzieren Frauen ihre Arbeitsstunden und versuchen mit Müh und Not gleichzeitig ihre Lohnarbeit und die Kindererziehung auf die Kette zu bekommen. Wo die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Frauen schon unter normalen Bedingungen eine äußerst prekäre Angelegenheit war, wird sie nun zu einem Ding der Unmöglichkeit. Entsprechend gab es laut Daten der Krankenkasse KKH einen deutlichen Anstieg bei der Zahl der depressiven Episoden von Frauen. Dies liege laut einer KKH-Wirtschaftspychologin an dem durch die Pandemie noch mühsameren Spagat zwischen Arbeit einerseits und Betreuung von Kindern und pflegebedürftigen Angehörigen andererseits (nachzulesen hier).

Eine weitere Belastung für Frauen sind Einkommenseinbußen und Arbeitsplatzverlust in der Krise. Insbesondere zu Jahresbeginn 2021 ist die Arbeitslosigkeit bei Frauen überproportional gestiegen (Link). Niedrigeres Nettoeinkommen und Ehegattensplitting führen dazu, dass Frauen geringere Sozialleistungen im Falle von Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit erhalten. Zudem arbeiten Frauen häufig in Branchen, in denen das Kurzarbeitergeld nicht aufgestockt wird. Frauen sind insgesamt häufiger „atypisch“ [1] beschäftigt und verlieren in wirtschaftlichen Krisen schneller ihre Jobs. So wurden zu Beginn der Pandemie zwischen März und Mai 2020 850.000 Minijobs gestrichen. Besonders von den Pandemiemaßnahmen betroffen ist auch der Einzelhandel, in dem viele Frauen arbeiten. Krankte er schon vorher durch die Konkurrenz durch den Online-Handel, hat sich dieser Zustand durch die Pandemie weiter verschärft. Es steht zu vermuten, dass in der Branche langfristig Arbeitsplätze abgebaut werden. Unternehmen wie Galeria Karstadt Kaufhof, Esprit oder H&M haben bereits die Schließung zahlreicher Filialen angekündigt.   

Bis auf Weiteres gesichert sind die Arbeitsplätze von Frauen in der Krankenpflege. Diese hatten bislang auch Anspruch auf eine Notbetreuung ihrer Kinder, wodurch sie von dem Widerspruch entbunden wurden, arbeiten und sich gleichzeitig um die Kinder kümmern zu müssen, den viele andere Frauen plagt. Auch sie haben jedoch eine große Last zu tragen, insofern die Pandemie ihre Arbeitsbedingungen weiter verschlechtert hat. Grundsätzlich funktioniert die Pandemiepolitik der Regierung nach dem Prinzip, jede Infektionswelle soweit laufen zu lassen bis die Intensivstationen an ihre Kapazitätsgrenze kommen – um dann genau so lange Eindämmungsmaßnahmen zu beschließen, bis das Spiel wieder von vorne beginnen kann. Diese „Strategie“ trifft auf ein Gesundheitssystem, das schon vor der Pandemie auf Personaleinsparung gesetzt und den Pflegeberuf zu einer Herausforderung gemacht hat. Die Pandemie eskaliert die Arbeitsbelastung weiter, zudem haben die Beschäftigten mit einem hohen Risiko zu kämpfen, sich selbst mit Covid-19 zu infizieren. Dagegen hilft weder Klatschen vom Balkon noch ein magerer Corona-Bonus, den die meisten Pfleger*innen sowieso nicht erhalten haben. Und so ist es kaum verwunderlich, dass neuesten Erhebungen zufolge ca. ein Drittel der Pflegekräfte erwägt, aus dem Beruf auszusteigen – es droht demnach ein regelrechter „Pflexit“.

(Bild: Halina Diedrichs)

Was diese verschiedenen Schlaglichter (die mitnichten ein komplettes Bild der Situation von Frauen in der Pandemie geben) deutlich machen, ist zum einen, wie nachrangig die Pflege- und Sorgearbeit gesellschaftlich behandelt wird. Während die Sorge für Kinder durch Schließung der Kitas und Schulen wieder voll zurück an die Eltern delegiert wurde, die diese anscheinend problemlos neben ihrer Lohnarbeit bewältigen sollen, sind die Arbeitsbedingungen in der bezahlten Sorgearbeit schlichtweg unhaltbar geworden. Zweitens bedeutet dies aufgrund der geschlechtlichen Arbeitsteilung, dass vor allem Frauen als Puffer in der Krise missbraucht werden, die diese gesellschaftlich notwendige Arbeit auch unter prekärsten Bedingungen noch irgendwie schaukeln müssen. Dabei wird nicht nur ihre finanzielle Unabhängigkeit weiter unterminiert. Als wäre nicht alles schon schlimm genug, reagieren sich auch noch ihre Ehemänner und Partner gewaltförmig an ihnen ab. 

All dies macht die Pandemie für Frauen besonders krisenhaft. An anderer Stelle [2] wurde bereits die Hoffnung artikuliert, dass diese Erfahrung der Ausgangspunkt für eine neue Frauenbewegung werden könnte. Um dies möglich zu machen, ist eine bloße Schilderung der besonderen Betroffenheit von Frauen jedoch nur der Anfang. Es muss deutlich gemacht werden, was die Gründe für die Nachrangigkeit der Sorge- und Pflegearbeit und damit auch für den sekundären Status von Frauen in dieser Gesellschaft sind und was nötig wäre um diesen Zustand zu beenden.

Maria Neuhauss, LV Thüringen


[1] In Abgrenzung zum sogenannten „Normalarbeitsverhältnis“ werden Beschäftigungsverhältnisse als atypisch definiert, wenn mit ihnen nur bedingt der eigene Lebensunterhalt sowie der von Angehörigen zu finanzieren ist. Darunter fasst man v.a. Minijobs sowie Teilzeitarbeit. Oft können im Rahmen dieser Anstellungen keine oder nur geringe Ansprüche in den sozialen Sicherungssystemen erworben werden. Vgl. auch https://www.bpb.de/politik/innenpolitik/arbeitsmarktpolitik/178190/atypische-beschaeftigung. Dabei ist die atypische Beschäftigung sehr weiblich geprägt, besonders betroffen sind Frauen aus Westdeutschland, vgl. https://www.boeckler.de/data/Boeckler-Impuls_2019_11_4-5.pdf

[2] Andrea Trumann, „Der Beginn einer neuen Frauenbewegung“, in Jungle World Nr. 27 (2020), online unter https://jungle.world/artikel/2020/27/der-beginn-einer-neuen-frauenbewegung.