Auf das Buch von FaulenzA war ich sehr gespannt und vieles zum Thema Transmisogynie verstehe ich jetzt definitiv besser. Oft hatte ich aber den Eindruck, dass sie ihre persönlichen Eindrücke verallgemeinert und nicht belegt, was sie schreibt. Zwar finde ich es wichtig, die eigenen Erfahrungen niederzuschreiben, aber meiner Meinung nach verlangt vieles im Buch nach einer Begründung, die über den reinen Verweis auf die eigene Subjektivität hinausgeht.
Patriarchat, Privilegien und Weiblichkeit
Speziell FaulenzAs Erklärungen zur Abwertung von Weiblichkeit in der (queer-)feministischen Szene (ab S.39) haben mich geärgert. Sie unterstellt, Feminist*innen lehnten Weiblichkeit als ihnen aufgezwungene Rolle ab und eigneten sich deshalb »männliche« Verhaltensweisen an, die als »stark« und »empowert« gelten. Das ist meiner Ansicht nach aber ein falsches Verständnis von feministischer Kritik. Es geht mir z.B. tatsächlich um die Auseinandersetzung mit problematischen Rollenbildern. Weiblichkeit wird aber nicht per se von Feminist*innen abgewertet, sondern ihre gesellschaftlich gesetzte »Minderwertigkeit« entspringt der patriarchalen Geschlechterordnung, die wir abschaffen wollen.
Außerdem kündigt der Klappentext an, FaulenzA „entlarve“ das Argument, trans*Frauen seien männlich sozialisiert. Sie erzählt anschaulich, dass es für Kinder und Jugendliche, die nicht der ihnen zugeordneten Geschlechtsidentität entsprechen, sehr schmerzhaft ist, aufzuwachsen. Sie versuchen den normierten Erwartungen zu entsprechen, aber schaffen es nicht oder sie leiden unter Mobbing, weil sie sich untypisch für ihr vermeintliches Geschlecht verhalten. FaulenzAs Hauptargumentationslinie aber, die besagt dass Sozialisation vor allem durch Privilegien und Diskriminierungen beeinflusst wird und sie selbst die Behandlung als Junge wiederum nicht als Privileg, sondern als Gewalt empfunden hat, finde ich nicht ganz schlüssig. Zunächst denke ich, dass Sozialisation von einer Vielzahl von Faktoren geprägt wird, von denen die eigenen Privilegien und Diskriminierungserfahrungen nur einer sind. Daraus ergeben sich Widersprüche, wie mir scheint, im Buch häufig zu kurz kommen.
Die widersprüchliche Sozialisation des Geschlechts
Natürlich geht unsere Gesellschaft furchtbar mit Menschen um, die aus normierten Geschlechterrollen ausbrechen wollen. Trotzdem kann FaulenzA mir nicht nachvollziehbar machen, warum die Tatsache, dass sie längst wusste, dass sie ein Mädchen ist, während andere sie als Junge lasen, etwas daran geändert haben sollte, dass man sie als Junge behandelte. Ist das nicht gerade das Problem? Damit erzog man sie mit der Überzeugung, sie müsse wild sein oder mit Autos spielen oder sich durchsetzen im Streit – all das war ihr, zurecht, mit Sicherheit zuwider. Aber es war vermutlich Teil ihrer Sozialisation. Ebenso wie es natürlich Teil ihrer Sozialisation war, sich nicht entsprechend diesen Rollenerwartungen zu fühlen. Insgesamt werden diese und andere Stellen im Buch ziemlich schnell mit der Begründung abgehakt, wer solche Argumente brächte, habe seine eigene Transmisogynie nicht richtig reflektiert. Das finde ich schade. Ich glaube, es gibt ein großes Interesse in linken Kreisen, die Diskriminierung von trans*Personen zu bekämpfen. Das zeigen viele emotional geführte Debatten um das Gendersternchen und autonome Frauen*räume. Für mich ist verständlich, dass nicht jede trans*Frau dauernd Lust hat, anderen Menschen sich und ihre Identität zu erklären. Deswegen finde ich so ein Buch einen wichtigen Schritt, um für mehr Empathie und Verständnis zu werben. Ich glaube aber, dass die Autorin dann auch gründlicher recherchieren muss, bessere Erklärungen liefern und nicht stehen bleiben darf bei Verallgemeinerungen und Vorwürfen. Für mich sind am Ende viele meiner Fragen leider offengeblieben.
Jana Herrmann, BZ WW