Falken an die Hochschulen? – Zur Rolle von Uni und FH für unsere Praxis

Für viele Genoss*innen sind Hochschulen ein wesentlicher Teil ihres Lebens, meist aus der Perspektive von Studierenden, mitunter auch als Mitarbeiter*innen. Das Verhältnis des Verbandes zu dieser Form der Bildung soll hier deshalb aus dreieinhalb Perspektiven diskutiert werden.

Vorweg: Studieren ist häufig besonders gut mit Funktionen und Aktivitäten im Verband vereinbar. Es gibt vor allem im Sommer eine lange Auszeit, was es möglich macht, auf Freizeiten und Zeltlagern als Helfer*in dabei zu sein. Die Wahl der Kurse ist einem weitestgehend selbst überlassen, so dass um die Gruppenstunden ringsherum geplant werden kann. Anwesenheitskontrollen gibt es zumindest in Vorlesungen so gut wie gar nicht, so dass ein Termin auch mal unter der Woche am Vormittag liegen kann. Diese sehr viel größere Freiheit im Vergleich zur betrieblichen Ausbildung oder später in der regulären Lohnarbeit führt auch mit dazu, dass es vor allem Schüler*innen und Studierende sind, die Verantwortung in Vorständen übernehmen (können), was auch die Arbeitszusammenhänge prägt.

Hochschule als Bildungseinrichtung

Dass immer mehr junge Menschen Abitur machen und im Anschluss ein Studium aufnehmen, ist eine bildungspolitische Binsenweisheit und auch bei uns im Verband zu beobachten. Besonders häufig finden sich dabei Studienfächer, die mehr oder weniger mit der ehrenamtlichen Praxis zusammenhängen, zumindest auf den ersten Blick: Erziehungswissenschaft, Soziale Arbeit, Politikwissenschaft. Manchmal ist das auch ein Anknüpfungspunkt, um neue Menschen für den Verband zu gewinnen (dazu später mehr).

Trotz der oben beschriebenen Freiheiten gibt auch das Studium ein System vor, in dem man sich zurechtfinden muss. Das betrifft nicht nur Prüfungen und Anwesenheitsvorgaben, sondern auch bestimmte Formen der Lernens und Diskutierens, die sich aneignen muss, wer im Strom mitschwimmen möchte. Dabei gibt es von Fach zu Fach große Unterschiede, aber bestimmte, übergreifende Codes wie “Wir fangen c.t. an” gibt es dann doch. Wer nicht weiß, dass damit das ominöse akademische Viertel gemeint ist, man also immer 15 Minuten später anfängt, ist immerhin nur überpünktlich da.

Sich diese Welt zu erschließen, ist vor allem dann schwer, wenn man im eigenen Haushalt keine Vorbilder hatte, die dabei helfen konnten, wenn also weder die Eltern oder ältere Geschwister Vorwissen vermitteln konnten. An dieser Stelle ist es also hilfreich und eine konkrete Unterstützung, wenn es im verbandlichen Umfeld Menschen gibt, die Wissen weitergeben und beim Umgang mit dem System Hochschule unterstützen. Das heißt nicht nur akademische Codes erklären, sondern auch mal alte Hausarbeiten weiterzureichen oder nervige Fleißaufgaben solidarisch miteinander zu teilen.

Mir persönlich hat es das Studium sehr erleichtert, dass ich meine ersten Begegnungen mit Autor*innen wie Adorno und Arendt nicht im Seminarraum hatte, sondern bei Rosa & Karl. Komplizierte Texte zu lesen und zu verstehen, fällt leichter, wenn man sich gegenseitig unterstützt und offen zugeben kann, dass man einen Begriff einfach nicht versteht. Etwas, dass in Uniseminaren deutlich seltener möglich erscheint, wenn da jemand sitzt, der sein Ko-Referat als Nachfrage tarnt, um vor den Lehrenden besonders klug dazustehen: “Hat nicht schon Horkheimer 1947 geschrieben, dass…”.

Was der Verband an der Stelle ebenfalls vermitteln kann, ist eine kritische Distanz zu den gelehrten Inhalten. Wissenschaft ist weder in Forschung noch in Lehre politisch neutral, sondern vermittelt eine bestimmte Vorstellung von der Welt. Da gilt es, sich nicht von all den neuen Eindrücken im ersten Semester einschüchtern zu lassen, sondern den Bluff zu durchschauen – am besten zusammen mit Genoss*innen.

Hochschulen als Schaufenster des Verbands

Vor allem im Oktober, wenn das Wintersemester beginnt, ziehen viele junge Erwachsene in neue Städte, um dort mit dem Studium zu beginnen. Die dann stattfindenden Orientierungswochen sind auch für den Verband eine gute Gelegenheit, sich vorzustellen und die eigene Arbeit praktisch erfahrbar machen. Damit ist nicht (nur) gemeint, einen Stand vor den Unigebäuden aufzustellen, um dort mit allen möglichen Hochschulgruppen von SDS bis Amnesty um neue Leute zu konkurrieren. Hilfreich ist es eher, sich inhaltlich in kritischen Orientierungswochen einzubringen und zum Beispiel Workshops zu Sozialistischer Erziehung anzubieten. Gerade in Städten, in denen es eben nicht eine Vielzahl an verschiedenen linken Gruppen gibt, in denen man sich organisieren kann, scheint mir das eine sinnvolle Strategie zu sein.

Unser Verband kann gerade für Studierende aus Bereichen wie Erziehungswissenschaft oder Soziale Arbeit auch ein guter Ort sein, um mögliche Pflichtpraktika zu absolvieren. Das gilt nicht nur für diejenigen, die schon Genoss*innen sind, sondern auch für all jene, die Möglichkeiten jenseits von den klassischen Sozialhilfeträgern suchen. Wichtig ist dabei natürlich, als Gliederung auch die fachliche Betreuung absichern zu können und die Leute nicht einfach sich selbst zu überlassen. Im besten Falle entsteht durch die praktische Erfahrung in der pädagogischen Arbeit des Verbandes auch Interesse an der eigenen Organisation in unseren Strukturen.

Über das Elend der Hochschulpolitik

Grundsätzlich stellt sich beim Thema Falken und Hochschule auch die Frage nach der Beteiligung an hochschulpolitischen Auseinandersetzungen. Wenn man davon ausgeht, dass auch Hochschulen ein Raum sind, der politisch zu gestalten ist, wäre es meiner Ansicht nach falsch, dieses Feld zu ignorieren, gerade vor dem Hintergrund, dass es den Alltag vieler Genoss*innen prägt. Wenn also Landesregierungen versuchen, durch die Einführung von Studiengebühren den bereits engen Zugang zu dieser Form von Bildung weiter zu beschränken, sollte der Verband sich in diese Debatten und Proteste dagegen einbringen. Gleiches gilt für die Auseinandersetzungen mit rechten Professor*innen, wie etwa bei der Rückkehr von AfD-Gründer Bernd Lucke an die Uni Hamburg.

Was ich allerdings für falsch halte, ist die Beteiligung des Verbandes an den Gremien von akademischer und studentischer Selbstverwaltung. Eine Falken-Hochschulgruppe könnte wahrscheinlich ohne viel Aufwand Sitze im jeweiligen Studierendenparlament gewinnen, angesichts der meist geringen Wahlbeteiligung braucht es dafür nie viele Stimmen. Doch die Gestaltungsmöglichkeiten sind dort lächerlich gering. Studentische Gremien haben so gut wie keinen Einfluss auf die Ausgestaltung von Studium und Lehre und können in der Regel nur Resolutionen und Empfehlungen ohne jegliche Verbindlichkeit aussprechen. Zwar ist es natürlich hilfreich, wenn linke AStAs Geld für Projekte zur Verfügung stellen können, aber dazu bedarf es üblicherweise nicht der Unterstützung durch den Verband, sondern nur der Wahlentscheidung der studierenden Genoss*innen.

Gleichermaßen gilt dies für akademischen Gremien. Per Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat die zahlenmäßig kleinste und am stärksten privilegierte Gruppe an den Hochschulen – also die Professor*innen – stets eine absolute Mehrheit in den Gremien, also immer eine Stimme mehr als Studierende, Wissenschaftliche Mitarbeiter*innen und Mitarbeiter*innen aus den Bereichen Technik, Service und Verwaltung zusammen. Zu den Wahlen treten in den vier Gruppen jeweils Listen von Kandidat*innen an, die gemeinsame Vorstellungen und Ziele miteinander teilen. Bei allen vorgeblichen Unterschieden zwischen den verschiedenen Listen der Professor*innen eint die Gruppe am Ende immer das Interesse am Erhalt von Strukturen, von den sie maßgeblich profitieren. Im Wesentlichen geht es hier um Scheinpartizipation und das Abnicken von Entscheidungen, die in Hintergrundgesprächen bereits vorbereitet wurden. Sich hierin aufzureiben, scheint mir aus verbandlicher Perspektive wenig sinnvoll.

Bildungsstreik 2009: Randale, Bambule, Hörsaalbesetzungen

Arbeitsort Hochschule

Abschließend noch ein kurzer Punkt, der in solchen Debatten häufig vergessen wird: Hochschulen sind (häufig sehr große) Arbeitgeber und auch Ausbildungsstätten. Ob Auseinandersetzungen über die Dauerbefristungen von wissenschaftlich Beschäftigten unterhalb der Professur unter #IchBinHanna und #IchBinReyhan, die Ausgliederung ganzer Servicebereiche wie Reinigung und Instandhaltung in Subunternehmen ohne Tarifbindung oder auch die Situation von Azubis und studentischen Hilfskräften – hier finden permanent Klassenkämpfe statt. Umso wichtiger wäre es eigentlich, dies stärker ins Bewusstsein zu bringen und zumindest eine gewerkschaftliche Organisierung unter den Kolleg*innen voranzutreiben. Aber das ist insbesondere Aufgabe der Genoss*innen, die dort arbeiten – also auch meine.

Steffen Göths

LV Brandenburg