Über den Anspruch, durch Konsum die Welt zu verändern
Wir hören es immer wieder: Gegen den Klimawandel und für eine andere Welt können wir alle etwas tun, immer wenn wir irgendwo Geld ausgeben. Wir sollen Lebensmittel nur aus ökologischer Produktion kaufen, Kleidung nur aus Bio-Baumwolle und möglichst fairem Handel und wir sollen ganz generell darauf achten, dass Dinge möglichst unverpackt sind und aus der eigenen Region stammen. Dahinter steckt eine Vorstellung, die sich als ethischer Konsum bezeichnen lässt.
Was heißt eigentlich ethischer Konsum?
Ethik bedeutet zunächst, sich mit der Grundlagen und der Bewertung menschlichen Handelns auseinanderzusetzen. Dabei stehen vor allem Handlungen, die mit der Moral einer Gesellschaft im Einklang sind, als “gute Handlungen” im Vordergrund. Konsumethik überträgt diese Überlegungen nun auf den individuellen Konsum einer*eines jeden. Guter Konsum zeichnet sich in dieser Vorstellung dann dadurch aus, dass er bestimmten moralischen Bewertungen entspricht. Diese leiten sich häufig aus Ansprüchen an ökologische Nachhaltigkeit oder fairen Handel ab.
Außerdem beruht die Idee von ethischem Konsum auf der Annahme, dass jede einzelne Konsumentscheidung einen direkten Einfluss darauf habe, was überhaupt zum Konsum bereitsteht. Über die Nachfrage soll also direkt das Angebot gesteuert werden. Ganz konkret: Wer statt Salami aus der konventionellen Fleischproduktion lieber Bio-Salami kauft, kauft nicht nur ein Produkt, dessen Herstellung weniger Tierleid verursacht habe. Sondern er*sie sorgt auch gleichzeitig dafür, dass mehr Bio-Salami produziert wird und sich so insgesamt die Wurstproduktion verändert.
Diese Logik lässt sich auf alle anderen Bereiche übertragen: loses Obst und Gemüse ist dann besser als verpacktes, Spargel aus Brandenburg besser als der aus Griechenland und so weiter. Frei nach Immanuel Kant: Konsumiere so, dass du wollen kannst, dass es alle so tun.
Dadurch, dass diese Konsumentscheidungen als moralisch “gut” bewertet werden, gelten alle anderen Entscheidungen zwangsläufig als schlecht und unmoralisch. Das ist die Stelle, wo es besonders problematisch wird.
Wo liegt das Problem?
Konsumentscheidungen werden in der Regel nicht nur vor dem Hintergrund einer ethischen Bewertung oder auch nur des persönlichen Geschmacks getroffen. Entscheidend ist in den allermeisten Fällen zunächst, was die eigenen finanziellen Mittel hergeben. Produkte, die den oben erläuterten Ansprüchen genügen, sind in der Regel (deutlich) teurer, als Produkte, die das nicht tun. Das hat zum einen etwas mit real höheren Kosten etwa in der Lebensmittelproduktion zu tun (zum Beispiel durch größeren Einsatz von Arbeitskraft). Zum anderen aber auch damit, dass die Produzent*innen wissen, dass Konsument*innen, die sich über das Thema Gedanken machen (können), häufig mehr Geld ausgeben wollen und können.
Wer nun sowieso jeden Monat überlegen muss, wie der Kühlschrank gefüllt werden kann, hat keine freie Entscheidung darüber, wie viel Geld für Lebensmittel aufgewendet wird. Auch wer eigentlich lieber nur eine lose Paprika kaufen möchte, statt drei in Plastik verpackte, entscheidet sich im Zweifel für das kostengünstigere Angebot. Das gleiche gilt für billige Kleidung, deren Produktionsbedingungen häufig schlecht sind, aber es auch Menschen mit wenig Geld ermöglicht, sich nach eigenem Geschmack auszustatten. Vertreter*innen ethischen Konsum jedoch strafen solche unter Zwang getroffenen Entscheidungen dann mit moralischer Verurteilung.
Weiterhin setzt diese Vorstellung an individuellen Handlungen an, die Verantwortung für die Veränderung einer systematisch Menschen ausbeutende und Natur zerstörende Produktionsweise übernehmen sollen. Es ist im Kapitalismus jedoch weder möglich, nicht zu konsumieren noch nicht-kapitalistisch zu konsumieren. Ein Einkauf in einer Bio-Supermarktkette mag vielleicht mit Blick auf ökologische Nachhaltigkeit hilfreich sein, dafür zahlen diese Ketten meist besonders schlechte Löhne an ihre Angestellten. Die einzelne Entscheidung für eine Wurst aus Bio-Produktion ändert noch nicht die Logik unter der Unternehmen wirtschaften und in der sie dazu gezwungen sind, möglichst profitabel zu handeln. Eine Logik, in der es für Unternehmen profitabler ist, Brot wegzuwerfen als es zu verschenken, lässt sich nicht durch die Entscheidung für ein Bio-Mischbrot durchbrechen.
Was ist unsere Alternative dazu?
Statt also den Konsum der Einzelnen zu kritisieren, sollten wir für die Kritik der Produktion streiten. Das Problem liegt in einer Gesellschaft, in der die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse einer Logik unterworfen ist, die sich nicht an diesen Bedürfnissen orientiert, sondern in der Erhöhung des Profits. Diese Diskussion ist dann nicht nur in thematischen Bündnissen wie Fridays for Future zu führen, sondern zum Beispiel auch in Jugendringen.
Steffen Göths, LV Brandenburg