Das mediale und gesellschaftliche Bild von Frauen als Täterinnen
Frauen als aktive Täterinnen rechten Terrors? Den meisten Leser*innen kommt – natürlich – Beate Zschäpe in den Sinn, weitere weibliche Täterinnen werden wenige benennen können, obwohl beispielsweise der Gründer der Wehrsportgruppe Hoffmann formulierte, er wolle Frauen „gleichberechtigt an den Wehrsport“ heranführen, und dies auch tat. Unschwer ist also festzustellen, dass die Rollen von Frauen wenig beachtet und beschrieben wird: Die Haupttäter im Feld des Rechten Terrors und Rechtsterrorismus sind männlich. ‚Lone-wolf‘-Taten von Frauen gibt es faktisch nicht, dennoch gibt es auch im Phänomenbereich Rechter Terror nach 1945 durchaus Frauen, deren Rolle meist wenig beleuchtet wurde.
Der passive Faschismus?
Schon im allgemeinen Diskurs über die extreme Rechte werden Frauen im Hintergrund verortet und als unsichtbar betitelt, was absurderweise oft unter dem Label der Passivität geschieht. Phänomenologisch ist diese Arbeit im Hintergrund immer noch haltbar, obwohl sich die Rollen von Frauen in der Szene durchaus ausdifferenziert haben und sich nicht auf organisatorische Aufgaben beschränken. Dass es keine Passivität gibt, wenn man sich, egal in welcher Form, zur faschistischen Agitation entscheidet, sollte jedoch klar sein. Diese Bagatellisierung der Rolle von Frauen geschieht oft in Verschränkung mit der Reproduktion gängiger Geschlechterstereotype. Dies spielte z.B. eine zentrale Rolle in der medialen Darstellung von Sibylle Vorderbrügge, Mitglied der „Deutschen Aktionsgruppe“ (DA). Sie war eine von zwei Haupttäter*innen bei einem Brandanschlag in Hamburg, bei dem Nguyễn Ngọc Châu und Đỗ Anh Lân ermordet wurden. Zwar wurde Vorderbrügge zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, jedoch nach nur acht Jahren aus der Haft entlassen.
Der Richter und seine Henkerin
Schon in der Anklageschrift wurde sie als dem Kopf der Gruppe, Manfred Roeder, „geistig und sexuell hörig“ bezeichnet. Diese Formulierung passt zum Bild der Frau als Sexualobjekt – im Gericht wurde aus ihrem Tagebuch vorgelesen, und die mediale Ausschlachtung ihrer Tagebucheinträge, in denen sie die Liebe zu Roeder beschreibt, dürfte zur Marginalisierung ihrer Rolle als Täterin beigetragen haben. So schrieb Dietrich Strothmann 1982 für die ZEIT im Bericht „Das Mädchen das zur Bombe kam“: „Welche Gewalt doch ein Mann über ein Mädchen haben kann und wieviel ein Mädchen über Männer! Sibylle Vorderbrügge sitzt da vorn, fast starr, gibt Antworten wie ein Automat – sie soll es damals fertiggebracht haben, daß andere Brandflaschen in Fenster warfen, hinter denen Menschen lebten?“. Als wäre es bemerkenswert, dass eine Frau mit geschlossenem rechtem Weltbild nach der Ermordung zweier Menschen nicht völlig emotional und moralisch bankrott wäre, als sei völlige Gefühlskälte nicht Voraussetzung für eine solche Tat. Weitere Inhalte des Artikels über das damals 26-jährige ‚Mädchen‘: Ihr bürgerliches Elternhaus, ihre ‚Männergeschichten‘, die Radikalisierung durch Propagandaschriften (nur en passant erwähnt), der Zusatz direkt danach, dass Vorderbrügge als Kind jedoch von Anne Franks Tagebuch ergriffen gewesen sei – falls das nicht schon 1982 wie purer Hohn klang, tut es das zumindest heute. Immer wieder wird das Bild des bürgerlichen Mädchens gezeichnet, dass sich mit den falschen Leuten eingelassen habe und dann – hoppla – prompt die relevante Nazigröße Roeder als „ihren Siegfried“ bezeichnet. Die Einordnung in die Hierarchien und die Suche nach einem charismatischen Führer wird, sowohl von der Justiz als auch der Journaille, nicht als völliges Aufgehen und Hinwenden in eine hierarchisch strukturierte Gruppe verstanden, sondern ausschließlich als weibliche emotionale Schwäche.
Uns Uwe(s)
Erinnert ihr euch noch an den Tag, als Beate Zschäpe ihre Aussage machte? Als sie durch ihren Anwalt verlesen ließ, dass sie von den Morden im Vorhinein nichts gewusst hatte, wie sie zu Hause saß, pro Tag drei bis fünf Flaschen Sekt trank, und dabei vor schierem Schock sogar ihre Katzen vernachlässigte? Alle lachten darüber und schienen längst vergessen zu haben, dass man beim Auffliegen des Trios natürlich auch erst einmal danach gefragt hatte, wie eigentlich das Verhältnis zwischen Zschäpe und den beides Uwes aussah. Dass Zschäpe in der Aussage die Unbeteiligte mimte, die vieles aus Liebe zu Böhnhardt getan habe, ist kein Zufall, sondern eine Taktik der Verteidigung, in der patriarchale Vorannahmen verarbeitet werden. Auch Beate Zschäpe wurde zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt, und vermutlich wird sie auch nicht wie Vorderbrügge nach 8 Jahren entlassen – dafür wirkt der allgemeine Schock über das unbehelligte Morden der NSU vermutlich noch zu sehr nach, obgleich das Netzwerk des NSU mit sehr geringen Strafen davon kam. Ob das jedoch an einem anderen Frauenbild liegt oder vielleicht einfach nur daran, dass die männlichen Täter sich suizidiert haben und an ihnen kein Exempel mehr zu statuieren ist, sei dahingestellt.
Mona Schäfer, SV Mainz