Weg mit §218! – Bericht von der Plenardebatte

Am 22. Februar waren wir – die Mädchen- und Frauenpolitische Kommission (MFPK) – als Besucherinnen im Bundestag. Dort sollte über den Antrag der Bündnis 90/Die Grünen diskutiert werden. In diesem Antrag geht es darum, dass der Paragraph 219a aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden soll. Bevor wir zur Tribüne im Plenarsaal des Bundestags geführt wurden, haben wir an einem Protest des Bündnisses für sexuelle Selbstbestimmung 1 teilgenommen. Rund 150 Frauen* trafen sich mit Bannern und Plakaten vor dem Reichstag, um gegen den §219a zu protestieren – darunter wir. Neben einer Rede des Bündnisses, gab es auch Abgeordnete der Linken, der Grünen und der SPD, die auf dem Protest sprachen und sich solidarisch mit dem Bündnis erklärten
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Wessen Reichtum? Sollte das deutsche Proletariat die soziale Frage stellen?

Hier wird in der Fabrik geschuftet: Eisenwalzwerk 1875

Was ist eigentlich die Soziale Frage? Darauf kann man verschiedene Antworten geben. So sagte der damalige SPD-Vorsitzende Martin Schulz, die soziale Frage sei der Kampf für die Menschen, „die hart arbeiten und sich an die Regeln halten“. Der Vorsitzende der Thüringer AfD Björn Höcke sagte, die „soziale Frage stellt sich heute für Deutschland ganz neu und ganz anders. Es gehe nicht mehr primär um die Verteilung des Volksvermögens von oben nach unten oder von unten nach oben oder von jung nach alt, das sei nicht mehr die primäre soziale Frage. […] Die neue deutsche soziale Frage des 21. Jahrhunderts ist also die Frage nach der Verteilung unseres deutschen Volksvermögens […] von innen nach außen.“
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Wie die „Neue Rechte“ die soziale Frage diskutiert

Die soziale Frage, also die Frage von sozialer Gerechtigkeit, gesellschaftlicher Gleichheit und Ungleichheit, betrifft zentrale Probleme des Kapitalismus. Nicht nur die politische Linke, sondern auch rechte Akteure befassen sich mit diesem Thema. Die „Neue Rechte“ versucht auch linke Analysen und Begriffe für eigene Politikansätze nutzbar 1 zu machen.

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  1. Dies wird auch als Diskurspiraterie bezeichnet. Mit dem Begriff wird eine Strategie beschrieben, die Themen des politischen Gegners besetzt und im eigenen Sinne uminterpretiert.

Sozialreformen

Ein Gegensatz zu an die Wurzel gehenden Veränderungen?

Im Zusammenhang mit der sozialen Frage steht in der radikalen Linken oft die Frage im Raum, wie diese im Sinne der lohnabhängig Beschäftigten, aber auch der Arbeitslosen und kleinen Selbständigen gelöst werden kann. Hier ist oft das Wort Revolution zu hören. Revolution, so die Definition im Wörterbuch, ist „der Vorgang, dass die in einem Staat bestehenden politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse mit Gewalt zerschlagen und eine neue Regierung und/oder Gesellschaftsordnung etabliert wird.“ Mit anderen Worten: Eine an die Wurzel gehende Veränderung der Verhältnisse, die einhergeht mit einem völlig neuen politischen System. Die Reform hingegen wirkt erst einmal nicht zerstörend. Hier ist das Ziel, durch gesetzliche Maßnahmen und gewerkschaftliche Kämpfe konkrete Verbesserungen zu erreichen, wie beispielsweise Lohnerhöhungen, oder die Forderung nach Arbeitszeitverkürzungen, die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien 1 und so weiter. Wir Falken haben uns zum Ziel gesetzt den Sozialismus zu errichten, eine Gesellschaftsform also, die den Kapitalismus beseitigt und an seine Stelle eine Form des Zusammenlebens setzt, in der die Menschen durch gemeinsames Planen ihre Güter produzieren und untereinander aufteilen. Zwangsläufig müssen wir uns also die Frage stellen, wie wir dieses ehrbare Ziel denn erreichen wollen und können.

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  1. „Industrie, deren Produkte für die anderen Industriezweige unentbehrlich oder äußerst wichtig sind“, in Deutschland wären das zum Beispiel die Automobil- und Chemieindustrie.

Die AfD und die Soziale Frage – Interview mit Stefan Dietl

Du hast im Sommer 2017, kurz vor der Bundestagswahl im September, ein Buch rausgebracht mit dem Titel „AfD und die soziale Frage“. Warum genau dieses Thema? Kannst du vielleicht auch kurz erklären was die soziale Frage überhaupt ist?

Mir als Gewerkschaftler ist die Analyse der Wirtschafts- und Sozialpolitik der AfD bisher zu kurz gekommen. Die soziale Frage betrachte ich im Buch aus der Perspektive: “Was schreibt die AfD konkret in ihrer Programmatik zu verschiedenen wirtschafts- und sozialpolitischen Themen, wie zur Arbeitsmarktpolitik, zur Steuerpolitik, zur Bildungspolitik und was bedeuten eigentlich ihre Forderungen für abhängig Beschäftigte, aber auch für Niedriglohnbezieher*innen, für Leiharbeitnehmer*innen, und für „Leistungsbezieher“, wie die AfD immer sagt. Sich zum einen konkret an der Wirtschafts- und Sozialpolitik abzuarbeiten, zum anderen aber eben auch dem ideologischen Hintergrund aufzuspüren. Dabei vor allem sich das marktradikale Denken in der AfD anzuschauen, auf das sich erstere aufbaut.

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Die Zeit die mir fehlt, ist das Geld, was ich krieg


Welche Perspektiven bietet uns die Automatisierung?

Vor der Industrialisierung war die Arbeitszeit 1 eines Großteils der Bevölkerung abhängig von Jahreszeiten, Wetter oder Auftragslage. Insbesondere für die Bevölkerung, die in der Landwirtschaft tätig war, waren Arbeitszeiten im Sommer und während der Erntezeit länger und im Winter kürzer, wenn überhaupt vorhanden. Mit der Industrialisierung änderte sich diese Art der Arbeitsorganisation. Die von Wetter und Tageszeit unabhängigen Maschinen in Fabriken sollten zur Maximierung des Profits möglichst dauerhaft betrieben werden. Die zunehmende Verarmung der Landbevölkerung und die daraus folgende Landflucht mit starkem Bevölkerungsanstieg in den Städten führten dazu, dass Arbeitskraft (in Form von Menschen) problemlos verfügbar und vor allem günstig war. Gesetze zum Schutz von Arbeiter*innen oder Arbeiter*innenrechte gab es noch nicht. Der Ausbeutung der Arbeiter*innen in den Fabriken stand also kaum etwas im Wege: Arbeiter*innen mussten unter widrigsten Bedingungen oft 16-Stunden-Schichten oder mehr arbeiten und konnten trotzdem gerade so überleben.

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  1. Mit „Arbeitszeit“ ist hier zwar diejenige Zeit gemeint, die Menschen aufbringen mussten, um ihren Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Das moderne Arbeitsverhältnis von bei einem*r Chef*in lohnabhängig Beschäftigten mit festgelegter Arbeitszeit und dadurch einer Trennung in „Arbeitszeit“ und sogenannte Freizeit gab es jedoch nicht.

“Hier geht’s ständig nur um Studierende!”

Warum das Proletariat nicht nur am Fließband steht, sondern auch im Hörsaal sitzt

Der 16.01.2018 ist ein fast historischer Tag, denn zum ersten Mal seit 32 Jahren gehen die studentischen Beschäftigten der Berliner Unis wieder auf die Straße und streiken für die Anpassung ihres Tarifvertrags. Sie arbeiten in den Bibliotheken, in den Verwaltungen und im technischen Dienst und insbesondere leiten sie begleitende Kurse zu den Vorlesungen (Tutorien), in denen Studierende sich auf die Klausuren am Semesterende vorbereiten. Seit 17 Jahren gab es keine Lohnerhöhung, das Weihnachtsgeld wurde ihnen schon vor Jahren gestrichen und sie haben eine Woche weniger Urlaub als die anderen Mitarbeiter*innen der Universitäten. Wenn man bedenkt, dass sie bei seit Jahren steigenden Mieten und stetiger Inflation etwa 30% Reallohnverlust hatten, fragt man sich, warum es so lange gedauert hat, bis es zum Arbeitskampf kommt.
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Ausgabe 01/2018: Schwerpunkt Soziale Frage

Liebe Falken,unser Verband gründete sich vormehr als 100 Jahren, um für gerechtere Lebensverhältnisse von jungen Menschen zu kämpfen und, gerade für sie, eine Antwort auf die sogenannte soziale Frage zu finden. Der Begriff entstand zur Zeit der Industrialisierung, die Menschen sich nicht mehr durch Landwirtschaft selber ernähren konnten, sondern ihre Arbeitskraft in den neu entstehenden Fabriken verkaufen mussten,um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Die Verelendung damals traf große Teile der Bevölkerung. Heute scheint es uns oft, als sei diese Frage eine rein historische und wir hätten wenig damit zu tun. Vielleicht stellt sich die soziale Frage heute auch anders, jedoch stellt sie sich immer noch, schaut man sich die Missstände in der Welt an: Größer werdende soziale Ungleichheit,niedrige Löhne und beschissene Arbeitsbedingungen. Wir wollen in dieser Ausgabe unsere Analyse der sozialen Verhältnisse zeigen – warum wir das immer noch besser können als Rechte, wer eigentlich das Subjekt der sozialen Frage heute ist und wie Steuerhinterziehung die globale Ungleichheit noch verstärkt.

Wir wünschen Euch viel Spaß bei der Lektüre!

Freundschaft!
Eure Redaktion

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#notheidisgirl: Interview mit der Gruppe Vulvarines

Wer sind die Vulvarines? Könntet ihr euch und eure Gruppe einmal kurz vorstellen?

In erster Linie sind wir Frauen mit ganz unterschiedlichen Lebensrealitäten. Wir sind Studentinnen, Angestellte, Mütter, Aktivistinnen. Letztendlich Freundinnen, die es satt sind, tagtäglich gesellschaftlich aufgezwungene Standards wiederzukäuen. Wir wehren uns gegen die Zwänge eines patriarchalen, kapitalistischen Ausbeutungssystems.
Ihr habt mit #notheidisgirl ja ganz schön für Furore gesorgt. Wie kam denn die Idee zu dieser Aktion zustande? Warum habt ihr euch gerade für diese Form des Protests entschieden?
Die Idee zu der Kampagne entstand bei unserer dritten Sitzung im August. (Ja, wir sind noch Frischlinge). Denn in einem Punkt waren wir uns alle von Anfang an einig: das bestehende gesellschaftlich konstruierte Schönheitsideal, was keinen Raum für Vielfalt lässt, ist etwas, das wir satt haben einfach so hinzunehmen.
Uns geht es vor allem darum, dass die Marke Heidi Klum und das Format GNTM nur ein Symptom einer sexistischen und patriarchalen Gesellschaft ist. Vielfalt – in diesem Fall körperliche Vielfalt – wird immer noch als Bedrohung angesehen, statt als Normalität. Wir verstehen unsere Kampagne als Medium, durch das sichtbar wird was Realität ist.

Die Aktion wurde ja mitunter so aufgefasst, als würde sie sich vor allem gegen Heidi Klum als Person oder schlicht gegen ihre Sendung richten. Was ist aber eure eigentliche Kritik an der Sendung und an den Vorstellungen, die von ihr transportiert werden?

Unsere Kritik richtet sich eindeutig nicht gegen Heidi Klum als Person. Und auch nicht gegen die Teilnehmerinnen von GNTM. Dieses Format stellt für uns lediglich ein Symptom dar, welches sich in die Verwertungsmaschinerie von Mode- und Werbeindustrie einreiht und somit ein Bild von Schönheit reproduziert, das keinen Spielraum für Vielfalt lässt. Wir positionieren uns gegen eine Industrie, die von Objektivierung und Konkurrenz junger Menschen lebt.

Tatsächlich haben mittlerweile ja viele große Medien über euch und die Aktion berichtet. Es gab Berichte in der BILD, der taz, VICE, auf netzpolitik.org und Interviews im Radio. Wie habt ihr das Echo der Medien und der Öffentlichkeit auf #notheidisgirl bisher erfahren? Seid ihr selbst überrascht davon, wieviel Aufmerksamkeit die Aktion erreicht hat?

Tatsächlich stehen unsere Laptops und Handys seit Tagen nicht mehr still. Keine von uns hätte mit so einem Echo gerechnet, doch wir versuchen allen Anfragen gerecht zu werden und die sichtbar zu machen, die sichtbar sein wollen. Wir sind unglaublich überwältigt und gerührt, wie viele Menschen wir mit unserer Kampagne erreichen. Uns erreichen unzählige Nachrichten von Menschen, die sich mit uns verbunden fühlen. Das gibt uns und den Menschen, denen unsere Kampagne eine Stimme verleiht, Kraft. Die große Resonanz und insbesondere jene Nachrichten, in denen Menschen uns von teils sehr privaten Schicksalen und Biographien berichten, zeigen, dass das was wir angestoßen haben, lange überfällig war. Wir beobachten außerdem, dass vielen Hasskommentaren im Netz von immer mehr Supporter*innen umgehend etwas entgegengesetzt wird. Das zeigt wie tragfähig die Kampagne schon jetzt ist.

In verschiedenen Berichten werdet ihr häufiger mal als „Netzfeministinnen“ oder „Online-Aktivistinnen“ bezeichnet. Würdet ihr euch selbst auch so sehen? Wie schätzt ihr das Verhältnis von feministischem Engagement im Netz und im analogen Alltag ein?

Wenn wir unter dem Begriff des Feminismus verstehen, sich für eine gleichberechtigte, vielfältige Welt einzusetzen, dann ist das was wir hier tun ganz sicher ein feministischer Akt. Das Netz bietet, insbesondere für eine Kampagne wie die unsere, eine verhältnismäßig barrierefreie Plattform. Wir bieten vielen Menschen die Chance zu partizipieren und in den Austausch zu kommen. Unser analoger Alltag ist natürlich getragen von den Werten, die auch durch unsere Kampagne abgebildet werden. Unser Feminismus endet nicht, sobald der Laptop zugeklappt und die Anonymität des Internets abgelegt wird.

Wird man in Zukunft noch mehr von euch hören?
Smashing the patriarchy is our cardio.

Berlin Rebel High School

Eine andere Schule. Das ist der Wunsch vieler Pädagog*innen und Persönlichkeiten, auch im Schuldienst. Von vielen wird eingestanden, dass unser Schulsystem, welches noch größtenteils aus dem Kaiserreich hervorgeht, nicht mehr zeitgemäß und dem sozialen Fortschritt gegenüber nicht mehr angemessen ist.

Der Film „Berlin Rebel High School“ greift diese Thematik auf. Genauer gesagt handelt es sich um eine Dokumentation, die eine selbstverwaltete Schule in Westberlin zeigt, die 1973 als gemeinnütziger Verein gegründet wurde. Heute hat sie 200 Schüler*innen die basisdemokratisch alle Entscheidungen im Kollektiv mit den Lehrer*innen und weiteren Mitarbeiter*innen treffen. Auch werden die Lehrer*innen durch die Schüler*innen angestellt und generell herrscht ein Klima, welches das Lernen angenehmer macht. Das Ziel ist am Ende das Abitur nachzuholen. Die Schule möchte tatsächlich eines sein: radikal-anders und freiheitlich. Der Gründung geht ein Schulstreik an der privaten Gabbe-Lehranstalt voraus, der sich gegen Autoritarismus, politisch bedingter Kündigungen, Leistungsdruck und überfüllte Klassen richtete.
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